Prof. Dr. Andreas Stallmach ist Direktor der Klinik für innere Medizin IV am Universitätsklinikum Jena (UKJ).
Haben Sie sich impfen lassen? Und wenn ja: aus welchem Grund?
Ja, ich bin zweimal geimpft. Ich habe zu viele Patienten an COVID-19 sterben sehen und als Person mit einem erhöhten Risiko – älter als 60 Jahre und männlich – habe ich überhaupt nicht gezögert, das Impfangebot unseres Betriebsarztes anzunehmen.
Was sagen Sie Studierenden, die noch zögern, sich impfen zu lassen?
Ich frage zunächst nach den Gründen und versuche dann, im Gespräch auf diese einzugehen. Einige haben z. B. Ängste vor Nebenwirkungen. Diese Ängste sind natürlich ernst zu nehmen; aber das Risiko, etwa eine Thrombose zu entwickeln, ist statistisch kleiner als die Wahrscheinlichkeit, von einem Blitzschlag getroffen zu werden. Die in Deutschland zur Verfügung stehenden Impfstoffe sind die am besten überwachten Impfstoffe in der Geschichte der Medizin. Noch nie sind in so kurzer Zeit so viele Menschen in kontrollierten Studien geimpft worden. Dadurch, dass diese Impfungen weltweit überwacht werden, wären auch Nebenwirkungen aufgefallen, die extrem selten sind.
Gibt es wirklich gute Gründe, sich nicht impfen zu lassen?
Schwere akute, insbesondere behandlungsbedürftige Erkrankungen stellen eine Kontraindikation für Impfungen dar. Allergien gegen Bestandteile des Impfstoffs können ebenso Impfhindernisse darstellen.
Mit nun Millionen Genesenen: Welche neuen Erkenntnisse zum Post-COVID-Syndrom konnten aus den Daten und aktuellen Studien abgeleitet werden?
Ein Post-COVID-Syndrom bedeutet Beschwerden über zwölf Wochen nach der akuten Infektion. Am häufigsten treten dabei Fatigue (also ein chronisches Müdigkeitssyndrom), depressive Verstimmungen, Luftnot und Husten auf. Aktuell gehen wir davon aus, dass ca. 10 bis 15 Prozent der Patienten mit akuter SARS-CoV-2-Infektion ein Post-COVID-Syndrom entwickeln. Leider kann dieses bei einigen Patienten über Monate anhalten.
Schützt Jugend davor, am Post-COVID-Syndrom zu erkranken?
Nein! Leider nicht. Ich betreue u. a. einen jungen Mann, 28 Jahre alt, der vor mehr als zwölf Monaten eine leichte COVID-19-Erkrankung hatte und immer noch unter einer schweren Fatigue leidet. Diese ist so stark, dass er nicht arbeitsfähig ist und sein Studium bisher nicht wieder aufnehmen konnte.
Helfen die in Deutschland eingesetzten Impfstoffe bei einem Impfdurchbruch gegen das Post-COVID-Syndrom?
Hier ist die Datenlage nicht einheitlich. Es gibt Hinweise, dass eine frühe Impfung gegen SARS-CoV-2 das Post-COVID-Syndrom abmildert; die Studienqualität ist aber schlecht, sodass ich zurzeit keine fundierte Empfehlung abgeben kann. Unabhängig davon sollten alle Menschen mit durchgemachter COVID-19-Erkrankung sich ca. sechs Monate nach der Infektion einmal impfen lassen.
Was erwarten Sie für den Herbst/Winter?
Der Anstieg der vierten Welle kommt schneller und beginnt früher als im letzten Jahr. Wenn 30 Prozent der Menschen nicht geimpft sind, ist wieder mit einer hohen Zahl von Patienten zu rechnen, die die Abläufe z. B. bei uns im Universitätsklinikum Jena (UKJ) verändern. Es wird sogenannte „Impfdurchbrüche“ geben, also Menschen, die trotz Impfung an COVID-19 erkranken, aber hochwahrscheinlich nicht schwer bzw. schwerst erkranken, sodass sie nicht einer stationären Behandlung, insbesondere einer intensivmedizinischen Betreuung, bedürfen.
Auch werden wir im Herbst die dritte Impfung zumindest für Subgruppen, z. B. sehr alte Menschen oder Menschen mit schweren chronischen Erkrankungen, empfehlen.
Wann wird Corona nur noch ein Thema für Spezialistinnen und Spezialisten sein?
Corona wird uns alle noch sehr lange begleiten, hoffentlich wird es aber bald unser Leben nicht mehr bestimmen. Dabei hilft das Impfen!
Das Interview wurde am 13. August 2021 geführt.
Pingback: Wir halten zusammen. Impfen gegen Corona. / Blog der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Die Kommentarfunktion ist deaktiviert.